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Schürze nähen aus Omas Leinen

Schürze selber nähen

Schon lange lag das Leinen aus Omas Aussteuer im Schrank. Jetzt habe ich eine Schürze daraus genäht. Aber ich möchte nicht nur schreiben, wie man eine Schürze näht (das ist keine so große Kunst), sondern auch erzählen, wie unglaublich mühsam Leinenstoff damals hergestellt wurde – das war wirklich große Kunst! Oma hat es zum Glück aufgeschrieben. Seitdem ich das gelesen habe, behandle ich diesen Stoff mit größtem Respekt.

Leinenherstellung vor 100 Jahren

Vor 100 Jahren gab es noch kaum weite Transportwege. Die Herstellung des Stoffes fand fast ausschließlich im Dorf statt – von der Saat der Pflanze bis hin zum fertigen Kleidungsstück. 100 Tage nach der Saat war der Lein erntetreif. Lein (auch Flachs genannt) ist eine sehr hübsche, blaue Blume! Das müssen leuchtende blaue Felder gewesen sein! Aber zum Erntezeitpunkt war natürlich alles verblüht, der Leinsamen war reif. Mit der Hand wurden die Pflanzen herausgezogen, in Bündel gebunden und nach Hause transportiert.

Dort wurden die Pflanzen durch eine sogenannte Racke gezogen – das war ein Gestell mit eisernen Stäben. So trennte man die Fruchtstände und den Stängel voneinander. Die „Knutten“ (Fruchtknoten) wurden auf den Kornspeicher zum Trocknen gebracht. Die Stängel kamen in die „Flachsrotte“ – das war ein kleiner Teich, in dem die Stängel mithilfe von Gewichten unter Wasser gehalten wurden – der einsetzende Faulungsprozess war erwünscht. Nach einiger Zeit konnten die Stängel zum Trocknen auf der Wiese ausgebreitet werden. Die trockenen Stängel mussten nun noch „gebrochen“ werden. Das erledigten Flachsfrauen mit ihren „Brechen“. Das Äußere der Stängel fiel ab und zurück blieben die Flachsfäden, die dann später noch einmal durch die „Hechel“ gezogen wurden, um sie zu glätten. Nun war der Flachs fertig zum Spinnen. (Die Flachsfrauen „hechelten“ übrigens bei dieser Gelegenheit gern die gesamte Dorfbewohnerschaft durch – da gab es eine Menge zu tratschen und zu erzählen, weshalb das Flachsbrechen und -hecheln auch scherzhaft „Landtag“ genannt wurde…) Spinnen war Winterarbeit. Frauen und Mägde verbrachten damit viel Zeit in den dunklen kalten Monaten. Die gesponnenen Fäden brachte man zu den Webern, die daraus Stoff webten. Das fertige Leinen wurde „gebükt“, das bedeutete: man schichtete es mit Buchenholzasche in einen Holzbottich und goss erhitztes Wasser darüber. Das ergab eine alkalische, reinigende Lösung. Nun kam noch ein Spülgang mit klarem Wasser und dann ging es auf der „Bleiche“ (einer großen Wiese) weiter. Dort wurden die Leinenstreifen mit Pflöcken befestigt, mit Flusswasser begossen und einige Zeit Sonne und Tau ausgesetzt. So bleichte der Stoff und wurde schön weiß. Manchmal liefen die Gänse darüber und hinterließen Spuren – das bedeutete: alles noch einmal reinigen. Und nachts musste immer jemand Wache halten, weil das wertvolle „Linnen“ auch begehrtes Diebesgut war. Manche der Leinenballen wanderten in die Aussteuertruhen der jungen Frauen und waren ein wertvolles und nützliches Mitgebsel in die Ehe. Aber natürlich entstanden aus den Leinstücken auch Kleider, Blusen, Hemden, Unterwäsche, Handtücher, Bettwäsche und vieles mehr. Zum Nähen kam eine Schneiderin aus der Nachbarstadt für einige Tage ins Haus und machte Kleidung für die ganze Familie. Anziehsachen von der Stange gab es noch nicht.

Ich finde es fast atemberaubend, wie selbstverständlich Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit in diesem ganzen Prozess gelebt wurden (und damals machte man sich über diese Begriffe wohl kaum Gedanken). Wie weit sind wir mittlerweile davon entfernt…

Bevor ich das alles wusste, habe ich allen Ernstes überlegt, das Leinen wegzugeben. Schlimm, oder? Danach habe ich mich wirklich lange kaum getraut, etwas aus diesem Stoff zu nähen. Aber ist es nicht eigentlich schade, wenn das wertvolle Zeug einfach so im Schrank herumliegt? Außerdem ist der Stoffballen nach einer einzigen Schürze noch lange nicht am Ende – also ran!

Schürze nähen

Vorweg: Die Breite des Leinens entspricht natürlich nicht der Breite von heutigen Stoffballen. Wenn du die Schürze nacharbeiten möchtest und kein altes Leinen zur Verfügung hast, musst du alles ein wenig anpassen.

Du brauchst

  • Leinenstoff: Breite 56cm (so breit ist der gewebte Stoff bei mir), Länge 90cm
  • 5 Streifen Leinenstoff 5cm breit (und 56 cm lang)
  • Nähmaschine, Schere, Stecknadeln, weißes Garn
  • Bügeleisen

Falte das große rechteckige Stück Stoff längs mittig und schneide sauber eine Rundung (s. Bild unten) von beiden Stofflagen ab. Meine Schürze hat einen Latz mit der Breite 25cm bekommen. Teste an einer vorhandenen Schürze, die gut sitzt, ob das auch für dich die richtige Breite ist. Ansonsten musst du das Schnittmuster anpassen.

Nähe die 5 Stoffstreifen knappkantig aneinander – und zwar so, dass die Nahtzugaben alle auf einer Seite sind. Bügle die Nahtzugaben auseinander.

Jetzt faltest du den oberen Rand der Schürze mithilfe eines sehr heißen Dampfbügeleisens zweimal gleichmäßig um und steppst alles an der Bügelfalte entlang fest. Genauso verfährst du mit dem unteren Rand. Die seitlichen Ränder habe ich bei meiner Schürze so gelassen wie sie vom Weber gemacht worden sind – ich finde es wunderschön, diese Webkanten zu sehen.

Nun faltest du das Band einmal längs und bügelst diese Falte fest. Die gebügelte Linie brauchst du als Orientierung für den nun folgenden Schritt. Öffne die Faltung wieder und knicke nun wiederum die seitlichen Ränder des Bandes zu dieser Linie. Bügele die Faltungen so fest. Und nun wird das Band wieder entlang der ursprünglichen Faltung erneut geknickt und nochmal gebügelt.

Die Stoffränder sind nun verschwunden. Damit die Band-Enden besonders schön werden, kannst du sie so verstürzen:

Breite die Schürze auf eine große glatte Fläche und lege das vorbereitete Band so an, wie es später angenäht werden soll. Die Mitte des Bandes soll später auch mittig hinten im Nacken des Schürzenträgers sitzen. Teste, wie das Band liegen muss, damit die Schürze gut sitzt, und stecke alles mit Stecknadeln fest (s. Zeichnung rechts unten).

Zuletzt steppst du das Band in seiner ganzen Länge zusammen – und an den entsprechenden Stellen gleichzeitig an den Schürzenstoff.

Und so sieht das Ganze dann am lebenden Objekt aus:

Ich habe den Stoff gebügelt – aber, na klar: nach 1x Bücken hatte er schon wieder Falten. Es liegt einfach in der Natur dieses Materials, dass es schnell knittert. Ich nenne das „Edel-Knitter“ – denn es zeigt, dass es echtes Leinen ist.

Wer es schlicht und edel mag, der kann die Schürze einfach so lassen. Ich finde aber, sie hat es verdient, dass ich mich noch ein bisschen länger mit ihr beschäftige. Was ich damit vorhabe, erfährst du in diesem Blogbeitrag…

4 Gedanken zu „Schürze nähen aus Omas Leinen“

  1. Danke für den schönen Beitrag über das Herstellen von Leinen. Manche Begriffe haben sich bis heute erhalten. Was dahinter steckt, weiß man nicht mehr. Wie edel sieht die Schürze aus!

  2. Ein sehr schöner Beitrag. Ich überlege gerade, was ich mit meinem Leinen machen soll. Seit Jahren wollte ich ihn färben – mit Pflanzen und irgendwie klappt das nie.
    Eine Schürze finde ich super. Vielen Dank für die Anleitung und die Erläuterungen.
    LG Astrid

    1. Liebe Astrid, das ist mir die größte Freude, wenn ich durch meine Blogartikel inspirieren kann. Viel Spaß beim Verarbeiten des kostbaren Leinens!
      Herzlichst, Dorothea

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